Jugendförderung hatte in den letzten Jahrzehnten in Raunheim immer einen hohen Stellenwert gehabt. Viele Vereine aus den benachbarten Gemeinden hatten in den 80-er Jahren ihre Schüler nach Raunheim in die Volkshochschule geschickt, wo in Zusammenarbeit mit dem Raunheimer Schachclub sowohl Schachkurse für Erwachsene als auch Schachkurse für Jugendliche abgehalten wurden. Einige der Spieler, die hier ihre ersten Schritte in Sachen Schach absolvierten, gehörten später zu den stärksten Spielern Hessens.

Die Art der Jugendförderung von der in dieser Geschichte die Rede sein wird, gehört jedoch nicht in diesen Zusammenhang.

Die Mannschaft des Raunheimer Schachclubs spielte auswärts bei unseren Schachfreunden in Hattersheim. Bei dem Hattersheimer Team handelte es sich um eine Mannschaft aus Routiniers und Nachwuchsspielern.

Bernd K., ein starker und erfahrener Schachspieler, verstärkte in diesen Tagen die Raunheimer Mannschaft an den hinteren Brettern und sollte eigentlich für einen Punkt gut sein. Zudem sollte sein Gegner an diesem Tag - ein noch sehr junger und unerfahrener Schüler - werden, der seine erste Partie in einer Mannschaft spielen würde.

Auch die Eltern des Knaben wollten ihren Sohn bei diesem Ereignis unterstützen und schauten zu.

Der Schüler eröffnete die Partie mit „e4“ und Bernd K. antwortete sofort mit „c5“ (dies sind die ersten Züge für verschiedene sizilianische Eröffnungsvarianten). Normalerweise würde „Weiß“ nun einen seiner Springer entwickeln, doch erst einmal geschah gar nichts. Nach einer für diese Spielphase sehr langen Pause begann der Junge zu weinen. Bernd fragte ihn was denn los sei und der Junge antwortete unter Tränen, dass er diese Eröffnung nicht kenne und nicht wisse was er nun spielen solle.

So wollte Bernd seine Partie nun auch nicht gewinnen, der Junge tat ihm leid. Also erkundigte er sich, welche Eröffnung der Junge denn gut kenne und dieser antwortete „die Italienische Eröffnung“! Entgegen allen Regeln begannen die beiden daraufhin die Partie neu und folgten dabei den Vorgaben des Jungen Spielers aus Hattersheim hinsichtlich der Italienischen Eröffnung.

Und unser junger Schachspieler hatte seine Eröffnung sehr gut und intensiv gelernt!!! Etliche Züge später war das Spiel entschieden. Das Hattersheimer Nachwuchstalent hatte Bernd K. in der Eröffnung regelrecht auseinander genommen und die Partie dann locker nach Hause gebracht.

Bernd K. war diese Art der Jugendförderung teuer zu stehen gekommen. Neben dem Schaden der verlorenen Partie musste er den Spott seiner Mannschaftskollegen hinnehmen und außerdem noch eine Runde für das Team ausgeben! Jahre später gewann dieser Jugendliche die Main Taunus Einzelmeisterschaft.